27 March 2011

Ist Politik ohne Lüge möglich? (Diskussion)

Schon Thukydiedes hat gesagt, dass nicht nur dieser, der uns zur bösen Sachen überreden will, einen Kniff nutzen muss, aber auch dieser, der gute und nutzbare Ratschläge gibt, lügen muss, um das Vertrauen des Volkes zu gewinnen. Gehört die Lüge zu den notwendigen Faktoren in der Politik?

Das Gespräch mit Andreas Lorek (Fragment), Workshop: Wahrheit und Politik. Über die Lüge in der öffentlichen Diskussion, Berlin den 05.03.2011.




Weiteren Fragen des Interviews:
  • Ist die Lüge manchmal der effektivste und einfachste Art und Weise der politischen Wirkung? Durch Lügen kann man ein "gutes" Ziel erreichen, ohne etwas  erklären zu müssen. Diese Erläuterungen könnten falsch verstanden werden oder die staatlichen Geheimnise könnten dabei verletzt werden.
  • Gehört die Lüge zu dem Beruf "Politiker/Politikerin" - genau wie zu solchen Berufen wie: Schauspieler, Spion-Agent oder Anwalt?
  • Wird die Liebe zur Wahrheit auch von Politikern als politischer Wert betrachtet? Ist das unerfüllte Wahlversprechen  überhaupt als die Lüge wahrgenommen oder gehört es nur zu Methoden der typischen politischen Wirkung?
  • Sind die politische Tätigkeit und das Engagement  mit dem Begriff ethische Verantwortung in der Welt der Politik verbunden? Ist der Politiker, der lügt, bewusst dessen und darauf vorbereitet, die eventuellen Nachwirkungen zu übernehmen?

1 comment:

  1. Ist Politik ohne Lüge möglich?

    Diese Frage in dieser Form halte ich für irreführend und unsinnig.„Gelogen“, in Bezug auf die jeweiligen Strukturen des Glaubens, Denkens und Fühlens, wird in erster Linie zwecks politischer Existenzerhaltung,
    ganz unwesentlich wodurch diese motiviert wird (Überzeugung, Macht,Möglichkeit, Zufall, Spiel, ...).
    Betrete ich die politische Bühne muss ich mich den wirksamen Selektionsfaktoren beugen. In Antizipation dessen, wird dann nicht nur bewusst das Gegenteil von dem gesagt, was
    man selbst als wahr zu erkennen glaubt, sondern vor allem eine Form der Sprache verwendet, deren Interpretationsspannweite gerade die Grenzwertfunktion von Bedeutungslosigkeit zu sein scheint.

    Denn Wahlen sind nicht nur gekennzeichnet durch den Wettbewerb um die notwendigen Stimmen, sondern auch durch die allgemeine Asymmetrie der
    Kommunikation, mit welcher die Werbung um die eigene Person oder Partei betrieben wird .
    Das ist eine Situation, in der die Veräußerung, Verantwortung und Verteidigung von „Versprachlichtem“ in einem Unverhältnis zwischen Werbenden und Wählenden steht, aber im
    Wahrnehmungsbereich des politischen Publikums potentiell für einen Wahlerfolg entscheidend ist.
    Das reguläre Regelkreissystem „konventioneller“ Kommunukation lässt sich nicht mehr unmittelbar
    umsetzen, sie verliert weitgehend ihre fehlerkorrigierenden und konsensgenerierenden Eigenschaften. Über ihre erzwungenen Umwege durch die notwendigen medialen Kanäle wird potentielle Information von ihrem Urheber auf nicht mehr nachvollziehbare Weise abgekoppelt und hochgradig manipulierbar.
    Hinzu kommt ein wie ich finde nicht unwesentliches Kriterium der Komplexität. Die allgemeine Problematik der Kommunikation potenziert sich mit der notwendigen Komplexitätszunahme in unseren mentalen Modellen und dem Grad der Divergenz zwischen unseren Perspektiven. So wird die Rede im politischen Theater scheinbar unausweichlich als inhaltsleerer Stimulator emotionaler Glaubwürdigkeit instrumentalisiert. Es ist nicht mehr so sehr wichtig was man sagt, sondern wie wirksam es den Eindruck von charakterlicher Tauglichkeit suggeriert. In diesem Kontext unterwirft sich der Politiker dem Diktat des Gefallenmüssens, als primärer Selektionsfaktor seines politischen Existenz. Die Nachvollziehbarkeit seiner eigentlichen politischen Tätigkeit ist dabei sekundär.

    Inwiefern ein derartiges System eine sinnvolle Auslese zulässt, ist fragwürdig. Aber fragwürdig ist auch in Bezug auf welche Kriterien eine Auslese stattfinden soll. Welche gesellschaftlichen oder wieauchimmer
    kategorisierbaren Prozesse „produzieren“ eigentlich wählbare Politiker und wie verhält es sich mit Umstand und Ausgang dieser Wahl? Wenn konkrete Inhalte und Handlungen nicht mehr kommuniziert werden, ist dann „erfolgreiche politische Führung“ nicht eigentlich ein Zufallsergebnis und steht somit in keinerlei Korrelation zur eigentlichen Wahl?

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